Was ist Positive und Transkulturelle Psychotherapie (PPT)?
Positive und Transkulturelle Psychotherapie ist eine Form der Psychotherapie, die auf psychodynamischer Grundlage unter Einbeziehung der interkulturellen Forschung und einem humanistischen und ganzheitlichen Menschenbild entwickelt wurde.
Positive und Transkulturelle Psychotherapie ist ressourcenorientiert und konfliktzentriert.
Das Wort „positiv“ im Kontext der Positiven Psychotherapie leitet sich vom lateinischen Begriff „positum“ = das Tatsächliche, das Vorgegebene ab.
Tatsächlich und vorgegeben sind nicht nur die Konflikte und Störungen, sondern auch die Fähigkeiten, Chancen und Möglichkeiten, die jeder Mensch mitbringt.
Die Methodik der Positiven und Transkulturellen Psychotherapie wird seit 1968 von Prof. Dr. Nossrat Peseschkian (1933-2010) und seinen Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen in Deutschland entwickelt und mittlerweile in über 20 Nationen weltweit erfolgreich praktiziert. In zahlreichen Ländern ist die Positive und Transkulturelle Psychotherapie als Postgraduierten-Fortbildung offiziell anerkannt.
Prinzipien der PPT
Das positive Menschenbild
Es gilt ein positives Menschenbild, also die Annahme, dass jeder Mensch von Natur aus gut ist und über eine Vielzahl von Fähigkeiten und großes Potenzial verfügt.
- Der Mensch wird als eine Einheit von Körper, Geist und Seele gesehen, der zwei Grundfähigkeiten mitbringt: Er kann lieben und erkennen.
- Die Ziele des therapeutischen Prozesses bestehen darin, die Patient*innen zu unterstützen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und eine Balance in ihrem Leben zu finden. Damit handelt es sich um ein ressourcenorientiertes Verfahren.
- Krankheiten und sogenannte Störungen sind Ausdruck von Fähigkeiten zur Bewältigung von Lebenssituationen und werden als solche positiv gedeutet, bevor man sich der Veränderungsnotwendigkeit zuwendet. So wird Depression zur Fähigkeit, mit tiefer Emotionalität auf Konflikte zu reagieren. Angst ist die Fähigkeit, die Gefahren der Welt wie durch ein Vergrößerungsglas zu betrachten.
Der transkulturelle Ansatz
Aus seiner frühen vergleichenden Forschung in verschiedenen Kulturen entwickelte Prof. Dr. Peseschkian in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts gemeinsam mit Kolleg*innen aus verschiedenen psychotherapeutischen Schulen einen transkulturellen Forschungsansatz. Dieser bezieht sich auf den Umstand, dass Gesundheit und Krankheit in verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich gesehen, erklärt und verstanden werden. Diese Unterschiede verhalten sich tendenziell komplementär zueinander, so dass die Kulturen sehr viel voneinander lernen können. Deswegen sprechen wir von Transkulturalität. Insgesamt entsteht ein vollständigeres Bild für die Salutogenese.
Methodisch werden die Patient*innen/Klient*innen deshalb durch den Gebrauch von Humor, Geschichten, Anekdoten und Beispielen aus der eigenen und auch anderen Kulturen dazu ermutigt, diverse Perspektivwechsel zu vollziehen und eine aktive und selbstverantwortliche Rolle in ihrem Genesungsprozess zu spielen.
Der inhaltliche Ansatz
Dazu gibt es sehr hilfreiche Arbeitsweisen:
- Ein zentrales Arbeitsmodell der Positiven und Transkulturellen Psychotherapie ist das Balance-Modell. Es beruht auf der Erkenntnis, dass Gesundheit mit der Balance zentraler Lebensbereiche über die Zeit einhergeht. Das sind Körper und Sinne; Leistung; Kontakt sowie Zukunft und Fantasie. Hier finden sich die Konfliktinhalte und können inventarisiert werden.
- Ausgehend von den beiden Grundfähigkeiten entfalten sich im Laufe des Lebens zunehmend zwei Klassen von Fähigkeiten, nämlich solche, die verbinden, wie etwa “Vertrauen haben”, und solche, die unterscheiden, wie etwa “Strukturieren können”. Menschen entwickeln diese Fähigkeiten in je unterschiedlicher Weise in Koevolution mit ihrem jeweiligen Umfeld – ein Vorgang, der auch stark kulturell geprägt ist. Hier finden sich bevorzugt zwischenmenschliche Konfliktinhalte und können auf dieser Basis gut beraten werden.
Der fünfstufige Prozess in Therapie, Beratung und Selbsthilfe
Mit Hilfe eines strukturierten Prozesses in fünf Stufen werden Klient*innen von ihren Symptomen hin zur Lösung ihres Konfliktes geführt. Innerhalb des Rahmenmodells der fünf Stufen sind Methoden anderer Therapieschulen mühelos integrierbar, um flexibel auf die einzigartigen Bedürfnisse jeder Patient*in eingehen zu können.
Damit ist der Ansatz der Positiven und Transkulturellen Psychotherapie integrativ und ermöglicht das geordnete Zusammenspiel verschiedener Ansätze.
- Beobachtung/Distanzierung: Therapeut*innen sind zunächst gehalten, gut zu beobachten und zurückhaltend mit Interpretationen zu sein.
- Inventarisierung: Mit den ausgesprochen hilfreichen Analyseinstrumenten der Positiven und Transkulturellen Psychotherapie gewinnt man schnell einen guten Überblick, der eine fundierte Hypothesenbildung und die Bestimmung der Therapieziele mit den Klient*innen erleichtert.
- Situative Ermutigung: Hier wird von den Therapeut*innen erwartet, dass sie Fähigkeiten und Ressourcen erkannt haben, benennen können und mit den Klient*innen gemeinsam als Ausgangspunkt für die anstehenden Veränderungen nehmen. Meist erfordert das für alle Beteiligten einen bedeutenden Perspektivwechsel weg von der Problemhypnose.
- Verbalisierung: Die partnerschaftlich angelegte Beratung von Veränderungsmöglichkeiten betont Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Klient*innen. Sie bezieht aber auch wichtige Mitglieder aus dem Familiensystem und dem sozialen Umfeld ein.
- Zielerweiterung: Jenseits des im Verlauf beobachtbaren Transfers der Therapieziele in den Alltag werden Fragen der Persönlichkeitsentwicklung am Ende der Therapie thematisiert. Bisherige Fähigkeiten und Erreichtes wird gewürdigt, indem wir von Erweiterung sprechen. Welche Bedeutung entfaltet ein genesener Kranker für die Allgemeinheit? Bedeutsamkeit ist die wichtigste Ressource für die nachhaltige Absicherung von Therapieerfolgen.
Seit 1968 wird die Positive und Transkulturelle Psychotherapie vor allem in folgenden Feldern angewendet: Psychotherapie, Beratung, Erziehung, Prävention, Supervision und Coaching sowie im Management-Training. (Zeichnungen von Thomas Erbskorn-Fettweiß)